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Traurigkeit bewegt

"Wir meinen, wir oder unser Leben seien nur in Ordnung, wenn wir uns wohl und glücklich fühlen. Aber damit distanzieren wir uns von der Wahrheit und vom Pfad der Wahrnehmung."

Safi Nidiaye

Seit Tagen begleitete mich nun schon diese innere Unruhe. Gedanken schossen unaufhörlich auf alles, was sich bewegte. Und dann klopfte auch noch die Traurigkeit an meine Tür, zwar leise, aber bestimmt. „Oh nein, der mache ich ich nicht auf geisterte es durch meinen Kopf, die will sich nur ausheulen und rumjammern, das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Der zeig ich es, ich bin gut drauf, das Leben ist so schön, ich brauche jetzt keine Traurigkeit, die mich ausbremst, mich kraftlos macht, denn ich habe einen Plan und diesen lasse ich mir von der ganz bestimmt nicht durchqueren.“ Gesagt und nicht getan, es ging kein Projekt wirklich voran, ich fühlte mich innerlich abgeschnitten, leer, starr, bewegungslos am Ende saß ich wie ein leidendes Elend frustriert in der Küche. Das Leben war ausgezogen und ich kämpfte, alles war schwer und anstrengend. Der einzige Ausweg, keiner. Die Stimmung: „Ist-eh-alles-egal-und-scheiße-dazu“, schaffte sich Raum. Und dann hörte ich sie wieder klopfen, leise aber bestimmt. An diesem Punkt, wo ich das Gefühl hatte, es ist jetzt sowieso egal, dann komm halt rein. Und die Tränen flossen mit Eintritt der Traurigkeit. Ich weinte und weinte und spürte plötzlich wieder Bewegung in mir. Ich weinte weil, ich traurig war, das ich diese Traurigkeit so verteufelt hatte. Ich hatte Sie mit dem Stempel jammernde, kraftzehrende Alte beschriftet. Und dabei war Sie genau, was mir fehlte. Mit Ihr zog das Leben wieder in mich ein und sie bewegte mich sanft und zielsicher an einen Ort, an den ich ohne Sie nicht gekommen wäre und den ich auf gar keinen Fall freiwillig aufsuche. Den Ort der Schwäche. Alles, was ich unter Schwäche verstand war: Hilflosigkeit, Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Verletzbarkeit. Nein das alles wollte ich nicht sein. Doch je mehr ich mich auf das Gefühl der Schwäche einlassen konnte, keinen Widerstand mehr leistete, umso weicher und leichter wurde ich. Der Kampf war vorbei. In die Schwäche zu gehen, ließ mich an nichts mehr festhalten, ich hatte keine Kontrolle mehr und das Leben floss kraftvoll in die Bahnen, wo es wirklich gebraucht wurde. Diese Schwäche brachte mich in Ihren Ausläufern auf eine Insel der innere Ruhe. Als ich kurz darauf hinaus ging, um meinen Liebling Abbu auf der Gassirunde zu begleiten, wechselte das Wetter innerhalb von 10 Minuten, vom strahlendenden Sonnenschein zum erfrischenden Sommerregen und ich war so berührt von dieser Synchronität. Meine Traurigkeit gegen die ich tagelang angekämpft hatte, weil ich unbedingt Sonne im Leben wollte, genau diese alte jammernde Alte hatte mich erfrischt und wieder lebendig gemacht.

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